Wie Eltern einen gesunden Selbstwert in ihrem Kind fördern
- Andrea Grünenfelder
- 17. Sept. 2024
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 18. Sept. 2024
4 Geheimnisse für eine selbstwertstärkende Erziehung

Viele Eltern machen sich nach der Geburt ihres ersten Kindes viele Sorgen. Bekommt mein Kind in der Hektik des Familienalltags die nötige Zuwendung und Aufmerksamkeit? Finde ich die richtige Balance zwischen uneingeschränkter und bedingungsloser Liebe geben sowie Rahmen und Regeln vermitteln? Wird es sich in verschiedenen sozialen Umgebungen zurechtfinden, kann es einfach Freunde finden und sich auch einmal zurücknehmen? Gebe ich ihm den sicheren Rahmen, dass es später für sich selbst und für andere einstehen kann? Als ich selbst das erste Mal Mutter wurde, gingen mir sehr viele dieser Fragen durch den Kopf.
Die gute Nachricht vorab: wenn du dir solche und ähnliche Gedanken um das Wohlergehen deines Kindes machst, zeigt dir das bereits, dass du eine gute Mutter oder ein guter Vater bist. Die Begleitung eines kleines Menschen von der Geburt bis in die Selbständigkeit und darüber hinaus ist sehr anspruchsvoll und kann nicht vorab erlernt werden. Die Anforderungen wechseln mit dem Älterwerden und der wachsenden Reife deines Kindes ständig und führen zu einer stetigen Neuausrichtung und Neuverhandlung des angemessenen Erziehungsrahmens. Aus der Forschung (Literaturempfehlung am Ende des Artikels) wissen wir, dass ein sogenannt 'autoritativer Erziehungsstil' (der nicht zu verwechseln ist mit einem autoritären Erziehungsstil) die tragfähigsten Eltern-Kind-Beziehungen hervorbringt. Aus diesem Erziehungsstil lassen sich folgende Alltagstipps ableiten (nicht abschliessend):
Tipp Nr.1 - Liebe schenken, bewusste Zeitfenster schaffen
Die wichtigste Voraussetzung für einen gesunden Selbstwert ist bedingungslose Liebe. Gib deinem Kind die Chance, zu glänzen, dich zum Lachen zu bringen und mit ihm Spass zu haben. Interessiere dich für die Ideen deines Kindes, lasse dich von der Welt deines Kindes mitreissen. Schenke ihm - falls möglich - jeden Tag ein Zeitfenster, in dem es Zeit nur mit dir hat: zum Beispiel beim Vorlesen eines Buches, bei einem Spaziergang, bei einem Abendritual oder beim Kuscheln auf dem Sofa. In der Hektik des Alltags ist dies teilweise schwierig umzusetzen, insbesondere wenn man mehr als ein Kind hat. Versuche, als Minimum jede Woche eine gewisse Regelmässigkeit für spezielle Rituale mit jedem deiner Kinder einzubauen. Wichtig ist, dass du dir in diesen Zeitfenstern bewusst Zeit für dein Kind nimmst, ohne jede Ablenkung. So fühlt sich dein Kind gesehen und wahrgenommen. Sage ihm, wie sehr du es liebst und die spezielle Zeit mit ihm geniesst.
Tipp Nr.2 - Reziprozität: Geben und nehmen für ein entspanntes Familienleben
Der erste Tipp bedeutet nicht, dass du jederzeit nur Augen und Ohren für dein Kind haben musst und dein restliches Leben ausblenden solltest. Dein Kind sollte gleichzeitig lernen, dass andere Menschen auch wichtig für dich sind - erkläre ihm ruhig und bestimmt, wenn du Zeit für ein Telefonat mit einem Arbeitskollegen, eine Auszeit nur für dich oder ein Gespräch am Tisch mit Freunden brauchst. Du kannst altersentsprechend fordern, dass dein Kind auch dir Raum gibt für dich und deine Bedürfnisse. Teile deinem Kind mit, wann es die ungeteilte Aufmerksamkeit von dir erhält und fordere es gleichzeitig auf, sich zurückzunehmen, wenn du für dich oder jemand anderes Zeit benötigst. Dabei lernt das Kind ein wichtiges Prinzip kennen, welches unsere Gesellschaft trägt. Sich und seine Bedürfnisse für einen Moment zurückzunehmen und neben den eigenen Ansprüchen anderen Raum zu geben, führt dazu, dass dein Kind sozial kompetenter wird und lernt, die Perspektive anderer einzunehmen. Die dadurch entwickelte Sozialkompetenz führt zu tragfähigeren Beziehungen und stabileren Freundschaften, welche wiederum einen stabilen Selbstwert nähren.
„Die Förderung von Empathie ist eine der zentralen Erziehungsaufgaben, damit Kinder langfristig stabile Freundschaftsbeziehungen aufbauen.“ - Prof. Dr. Mathias Allemand, Persönlichkeitsforscher
Tipp Nr.3 - Akzeptiere dein Kind so wie es ist
Die allermeisten Eltern sehen in ihren Kindern viele positive Eigenschaften und sind stolz auf eine Reihe von Merkmalen, die sie an ihrem Kind tagtäglich erleben und beobachten. Gleichzeitig werden viele Eltern durch bestimmte Eigenschaften ihrer Kinder getriggert und reagieren harsch, wenn sie ein (sozial) unerwünschtes Verhalten bei ihrem Kind beobachten. Oftmals ist das Verhalten, das Eltern triggert, ein Verhalten, das sie an sich selbst stört. So kann kindliche Schüchternheit einen Vater, der selbst ein wenig Mühe mit sozialem Auftreten hat, auf das schüchterne Verhalten seines Kindes sehr kritisch und fordernd reagieren, während eine Mutter, die keine Mühe hat, schnell Kontakt mit Fremden aufzunehmen, das gleiche schüchterne Verhalten niedlich finden. Versuche, auf die aus deiner Sicht negativen Verhaltensweisen deines Kindes so entspannt wie möglich zu reagieren. Gleichzeitig kannst du deinem Kind deine Beobachtung in einem ruhigen Moment schildern und erklären, was sein Verhalten wahrscheinlich bewirkt. Du kannst dein Kind je nach Alter auch fragen, wie es selbst das Verhalten einschätzt, welche Unterstützung es braucht oder welche Möglichkeiten es sieht, daran etwas zu ändern.
Tipp Nr.4 - "Gut genug sein" gilt auch für die Erziehung
Das Grundprinzip eines gesunden Selbstwerts ist es, 'gut genug' zu sein. Um glücklich und zufrieden zu sein, muss der Gedanke in dir wachsen, dass du gut genug bist - genau so wie du bist. Das Gleiche gilt in der Erziehung. 'Good enough parenting' basiert auf dem Ansatz, dass wir als genügend gute Eltern völlig ausreichen. Wir benötigen keine Spezialausflüge, kein perfektes Essen und kein perfektes Zuhause, damit unsere Kinder zu Erwachsenen heranwachsen, die ein gesundes Selbstwertgefühl entwickeln. Viel wichtiger ist es, dass wir unseren Kindern ein Gefühl von Akzeptanz und Liebe schenken und Werte vermitteln, die eine Familie tragen. Dazu gehört auch, dass wir uns abgrenzen, auf uns selbst achten und von den Kindern einen Beitrag an das Familienleben verlangen. So können sie lernen, Teil eines Systems zu sein, in dem man sich gegenseitig hilft und trägt. Dieses Gefühl des 'getragen werden' führt zu innerer Ruhe und Ausgeglichenheit.
Erziehung zu einem gesunden Selbstwert
Gute Erziehung bedeutet ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Bedürfnissen des Kindes, der Familie und sich selbst zu finden. Dabei hilft der Gedanke, dass wir als 'genügend gute' Eltern einen vollkommen ausreichenden Beitrag leisten, dass unsere Kinder zu verantwortungsbewussten und gesunden Menschen heranwachen.
Möchtest du mehr Informationen oder ein individuelles Gespräch zu deiner persönlichen Situation in der Familie? Hier kannst du ein Beratungsgespräch buchen. Ich freue mich auf dich.
Deine Andrea Grünenfelder
Hinterlasse mir doch einen Kommentar zum Artikel. War etwas davon hilfreich für dich? Worüber soll ich als nächstes schreiben?
Literaturempfehlung: Fend, H., Berger, F. (2019). Die Erfindung der Erziehung. Eine Einführung in die Erziehungswissenschaft. Kohlhammer Verlag.
Comments